Winterbrevet

03.03.2018

Am ersten Samstag im März startete ich meinen zweiten Brevet 2018. Über Nacht gab es eine böse Überraschung, der späte Winter bescherte einige Zentimeter Neuschnee in NRW. Ich erkundigte mich bei Moni ob der Brevet überhaupt statt fand, um die 120 km nach Twisteden am Niederrhein nicht umsonst zu fahren. Die Antwort war positiv und so verstaute ich mein Mücke Randonneur im Kofferraum und machte mich auf den Weg. Zum Glück ahnte ich nicht was wirklich auf mich zukam. Start war um 9 Uhr und so dachte ich in meiner Naivität das die meisten Straßen bis dahin geräumt wären. Von 220 angemeldeten Randonneuren standen lediglich 38 am Start. Die Landschaft war weiß, genau wie die Straßen.

 

Als wir gegen 9:10 Uhr starteten fuhren wir durch den noch fast unberührten Schnee. Es fuhr sich besser als gedacht. Doch ich musste noch einmal anhalten, da mein linker Cleat vereist war und nicht im Pedal einklickte. Nachdem das Problem behoben war startete ich eine kräftezehrende Aufholjagd um Ralf einzuholen, der weiter vorne fuhr. Es ging nach einem kleinen Bogen über die niederländische Grenze und dann zur Maas.

 

Auf den Geraden pflügte ich mit 26 bis 28 km/h durch den Schnee, um dann ganz vorsichtig um die engeren Kurven zu fahren. Das einzige Velomobil im Feld hatte auf den verschneiten Straßen Probleme und war langsamer. Auf den wenigen freien Straßen konnte er dann aber seinen Geschwindigkeitsvorteil ausspielen. Es ging ein Stück die Maas entlang und dann über den Fluss Richtung Venray. Danach passierten wir Horst und Tegelen. Und kamen wieder zur Maas hinter Venlo. Nach ca. 20 km hatte ich Ralf bereits nur noch wenige hundert Meter vor mir.

 

Leider kamen wir jetzt auf Straßen die zwar nicht geräumt, aber wo der Schnee durch viele Autos bereits stark komprimiert war. Immer wieder brach mein Hinterrad aus und ich hatte Mühe es wieder einzufangen. Ich musste Tempo raus nehmen und Ralf entschwand am Horizont. Ich wurde immer langsamer, da das balancieren des Rades doch sehr kräftezehrend war. Nun wurde ich von einigen Teilnehmern mit dickeren Reifen wieder eingeholt. Ich fand aber keine Gruppe die mir von der Geschwindigkeit zusagte, und so fuhr ich weiter alleine.

 

Die Niederländer eroberten die zugefrorenen Teiche mit ihren Schlittschuhen. Winteridylle pur. Wir wurden mit unseren Rennern mit teilweise schmalen Reifen allerdings angeguckt als wären wir bescheuert. Ein bisschen mussten wir das wohl sein um bei solchen Bedingungen zu fahren.

 

An der Maas war es besonders gefährlich. Festgefahrene Spuren und gefrorener Schnee machten die Straße zu einem Schlingerkurs. Ein Königreich für ein Mountainbike mit Stollenreifen. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit war bereits deutlich gesunken und ich musste mich die ganze Zeit konzentrieren und stand unter Anspannung. Bloß keinen Sturz riskieren.

 

Immer wieder kamen wir durch nette kleine Orte mit interessanten Bauten, die ich mir gerne genauer angeschaut hätte. Aber so viel Zeit war leider nicht.

 

Den schmalen Höhenweg über der Ruhr schob ich lieber, genau wie einige andere Teilnehmer. Dafür war mein armes Mücke einfach nicht gebaut.

 

Auch der ein oder andere automobile Klassiker stand am Wegesrand. Ist sie nicht schön, die Göttin im Schneemantel? Französische Avantgarde in den Niederlanden.

 

Die Schleuse Sluis Panheel am Kanal Weesern-Nederweert. Ich näherte mich endlich der 1. Kontrolle.

 

De Pannekoekebbakker in Thorn bakkt echt lekkere Pannekoeke. Hier war die 1. Kontrolle nach 78 km und gleichzeitig eine erstklassige Labestation. Ich genehmigte mir einen Pfannkuchen mit Champions und Käse. Kraft tanken für die nächsten Kilometer. Hier traf ich dann Ralf wieder. Er beschloss abzubrechen und mit dem Rad nach Mönchengladbach zum Bahnhof zu fahren, ca. 50 km. Ich überlegte auch abzubrechen, entschied mich aber dann dafür doch nicht aufzugeben. Wir verabschiedeten uns.

 

Wie Ralf vorhergesagt hatte, wurde es dann am Kanal Weesern-Nederweert noch mal richtig glatt. Ich versuchte in der schmalen freien Spur zu bleiben, aber das gelang nicht immer. So kämpfte ich mich langsam über den glatten Weg. Erst nach ca. 12 bis 15 km hinter Nederweert verließ die Route den Kanal. Die Verhältnisse wurden deutlich besser und es ging über schneefreie Straßen. Der Schnee wurde generell immer weniger. Sogar die Sonne kam fast raus. Trotzdem war es noch relativ kalt. Weitere Stationen waren Asten und Deurne. Jetzt war zwar der Schnee weg, dafür spielte immer öfters der Wind eine Rolle. Doch ich lag immer noch so gut in der Zeit das es für mich außer Frage stand, das ich es in der Zeit schaffen würde, wenn die Verhältnisse so blieben. Und es blieb so, auch mit dem Wind. Aber der tat meiner Moral keinen Abbruch.

 

Nach 139 km erreichte ich De Korenbloem in Oploo, eine Windmühle von 1800. Also auch ein echter Klassiker. Weiter fuhr ich nach Sint Anthonis. Von hier waren es nur noch ca. 14 km bis zur 2. Kontrolle. Dann kamen Haps und Vianen.

 

Dann fand ich im ländlichen Gebiet diese kleine Bühne aus Schlagzeugteilen. Echt skurril und liebenswürdig. Kurz vor der 2. Kontrolle in Cuijk wurde es dann noch einmal spiegelglatt. Zum Glück war es noch hell und ich sah es sofort. Mit äußerster Vorsicht fuhr ich die ca. 50 bis 75 Meter über den Platz. Die Straße dahinter war wieder frei. Eine Stunde vor Ende des Zeitfensters erreichte ich die 2. Kontrolle an einer Tankstelle. Hier hielt ich mich nicht lange auf. Noch knapp 40 km bis ins Ziel und genug Zeit. Jetzt wurde die Fahrt wieder etwas schneller und der Wind kam meistens von der Seite. Warnweste und Licht hatte ich bereits an der Tankstelle angezogen bzw. eingeschaltet. Jetzt ging es ohne Pause durch. Südlich fuhr ich ein Stück an der Maas entlang und erreichte Gennep. Hier überquerte ich die Maas und erreichte schließlich Nieuw-Bergen. Nun war es nicht mehr weit nach Twisteden. Auf den letzten Metern wurde es noch mal glatt. Um mich nicht noch kurz vor dem Ziel abzulegen, fuhr ich langsam über den verschneiten Rand des Weges. Der Weg selber sah spiegelglatt aus.

 

Gegen 21 Uhr, 1,5 Stunden vor Zielschluss erreichte ich nach knapp 200 km mit meinem treuen Mücke das Vereinsheim in Twisteden. Wir hatten es geschafft. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war etwas langsamer als die Woche zuvor in Maastricht, aber das kompensierte ich durch weniger und kürzere Pausen. Drinnen gab es leckere Tomatensuppe von Moni und schön heißen Kaffee. Und nette Gespräche mit den noch Anwesenden. 10 Fahrer/innen standen noch aus. Ich blieb bis nach 22:30 Uhr, bis die letzten auch im Ziel und versorgt waren. Jeder Teilnehmer wurde mit Applaus empfangen. Das fand ich gut. Denn es war wirklich von Allen eine gute Leistung bei den Bedingungen. Vielen Dank auch an Moni und Michael für diesen tollen Brevet. Wir sehen uns Ende März beim 300er wieder.

 

Und jetzt noch eine Frage, die vielleicht manche beschäftigt. Muss man bescheuert sein um bei solchen Bedingungen zu fahren? Auf jeden Fall! Aber ehrlich, welcher vernünftige Mensch würde generell 200 km oder mehr am Tag mit einem Fahrrad fahren? Ich bin jedenfalls froh das ich so bescheuert war und durchaus etwas riskiert habe. Mental hat es mich stärker gemacht. Gerade die Überwindung der Zweifel, die ich zwischendurch immer wieder hatte, war wichtig für mich. Ich habe nicht aufgegeben, und ich habe es geschafft. Und mein Mücke ist das Beste was ich bisher bei Brevets gefahren bin.

 

Jennifer aka Sonne_Wolken

 

 

 


7 Gedanken zu “Winterbrevet

  1. Hallo Jenniver, toller Bericht und Respekt Dir und denn restlichen „Verrückten“ Radlern! Tolle Leistung! Wie heißt es so schön „im Winter werden Helden/innen geschmiedet/. Weiter Kette rechts und schönen Touren.
    Liebe Grüsse
    Siggi

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  2. Ja was soll ich sagen… ? Man muß sowieso verrückt sein um im Winter mit dem Fahrrad zu fahren. Ich hatte letzte Woche an nur vier Tagen, den Freitag hatte ich Urlaub, genug zu strampeln. Jeden Tag 20 Kilometer gegen den knackig kalten und extrem blasenden Ostwind. Das hat mich jedesmal mindestens 1:10 gekostet.

    Das war nicht schön und ich denke, ja irgendwie wäre ich auch am Freitag noch nach Hause gekommen, aber besser war, daß ich frei machen konnte !

    Ob ich jetzt an so einem Wintertag wie Du ihn wohl hattest 200 Kilometer gefahren wäre ? Ich habe sowohl Stollenreifen als auch Spikereifen, aber 200 Kilometer sind dann schon eine Hausnummer. Bei der Kälte zerrt das ganz schön am Körper. Da erreicht man schneller seine Grenzen, als man es sich selbst eingestehen würde.

    Aber toll das Du das geschafft hast. Damit bist Du deinem großen Ziel bestimmt um einen ebenso großes Stück näher gerückt !

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    1. Hallo Alex, ja, das hat mich auf jeden Fall weiter gebracht. Körperlich werde ich immer stärker und mental auch. Beides wichtige Voraussetzungen um Paris-Brest-Paris schaffen zu können. Aber jeden Tag mit dem Rad zu fahren, wie Du es machst, ist auch eine große Leistung bei dem Wetter. Da kommst Du auch auf 200 km in der Woche. LG Jennifer

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